Rezensionen

aus: AGTCM (Fachverband für Chinesische Medizin)

 

Lehrbuch der klassischen chinesischen Medizin und Akupunktur Michael G. Hammes, Roya Schwarz (2022), Elsevier-Verlag, München, 130 €

 

Von Christiane Tetling

 

Das Buch stellt eine anspruchsvolle Reise durch die Geschichte der Chinesischen Medizin und das Wissen der alten Meister dar.

 

In diesem umfangreichen, anspruchsvollen Werk wird in 24 Kapiteln nah an den historischen Quellen das System der Klassischen Chinesischen Medizin erläutert. Aufbauend auf die Zitate der alten Meister ist das Buch reich bebildert mit zahlreichen geschichtlichen Darstellungen, Zeichnungen, Abbildungen, Bildnissen der alten Meister und durch übersichtliche Tabellen erklärt. Das Buch startet im Kapitel 1 mit den Ausführungen zu den Überschriften "Himmel und Mensch sind Eins" oder "Die natürliche Ordnung fußt auf den Prinzipien von Yin und Yang und den fünf Grundwesenheiten".

 

Im Kapitel 2 werden u.a. die Ahnenväter der chinesischen Medizin porträtiert und die verschiedenen Schulen der CM vorgestellt. Das Kapitel endet mit der Erläuterung der gegenwärtigen Situation der CM in China und den westlichen Ländern.

 

Im Kapitel 6 wird das Konzept des Qi und des Blutes beleuchtet, es schließt mit einem Fallbeispiel zur Behandlung von Qi-Schwäche mit einer ausführlichen Diagnoseerörterung und dem Vorschlag einer Behandlungsstrategie.

 

Das Kapitel 8 erläutert u.a. die Aspekte des "Shen" in der altchinesischen Kultur und bietet mit der Abbildung 8.14 eine Übersicht zu den gegenseitigen Beziehungen von Qi, Blut, Jing, Körpersäften und Shen.

 

Das Kapitel 15 widmet sich ausführlich der Entschlüsselung der Geheimnisse der Acht Außergewöhnlichen Gefäße und schließt mit einem Fallbeispiel und den Erläuterungen der gewählten Akupunkturpunkte.

 

Im Kapitel 22 "Medizin und die Möglichkeit der Heilung" gibt es eine Abhandlung der Bedeutung des Heilseins in der altchinesischen Medizin, eine Betrachtung des Heilungsprozesses in der heutigen Zeit und eine Erörterung der Fragestellung, wie sich die altchinesische Medizin in eine zeitgemäße Heilkunde integrieren lässt.

 

Hervorheben möchte ich auch das Kapitel 23 "Therapie der Emotionen". Hier ist es den Autoren hervorragend gelungen, das Thema Geist und Emotionen umfassend zu beleuchten.

 

Die Intention der Autoren ist, die genialen Betrachtungsweisen der alten Meister auf den Menschen, das Leben, die Natur, das Universum und die daraus entstandenen verschiedenen Modelle der Klassischen Chinesischen Medizin zusammenführend darzustellen und das gesamte Potential der therapeutischen Möglichkeiten mit diesem Wissen aufzuzeigen.

 

Als langjährige praktizierende Therapeutin und Dozentin in der CM war es mir eine freudige Herausforderung, dieses komplexe Werk zu lesen, zu studieren und für mich persönlich durch ein tieferes Verständnis mancher Aspekte, diese noch einmal neu zu sortieren und zu betrachten.

 

Anfänger*innen in der CM sollten sich von dem geballten Inhalt des Buches nicht abschrecken lassen. Es wird definitiv eine Bereicherung für das wesentliche Verständnis der Chinesischen Medizin sein, den roten Faden zu sehen, die Zusammenhänge zu verstehen und einen Anstoß geben, sich mit diesem Wissen als CM-Therapeut:innen individuell zu entwickeln.

 

Nehmen Sie sich unbedingt viel Zeit, mit diesem herausragenden Buch zu arbeiten, es ist kein gewöhnliches Lehrbuch.

 


aus: Der Heilpraktiker

 

Von Udo Lorenzen

 

Buchrezension – Das Geheimnis der Goldenen Nadel

Die Entwicklung wahrer therapeutischer Kräfte aus den antiken Lehren der Chinesischen Medizin

Autoren: Michael G. Hammes und Roya Schwarz

Urban & Fischer Verlag/Elsevier 2018, 104 Seiten, gebunden, Preis: 22,00 Euro

 

 

Endlich einmal ein Buch, das über die standardisierte TCM hinausgeht! Die Verfasser gehen hier auf die altchinesische Tradition zurück, welche die Persönlichkeit des Therapeuten als die sine qua non einer erfolgreichen Behandlung ansieht. Diese Persönlichkeit gilt es zu kultivieren und zu vertiefen, damit der Shen seine wahre Absicht erkennt. Und die ist für einen Heiler nicht nur das Erkennen der Wurzel der Erkrankung und eine erfolgreiche Therapie, die „Goldene Nadel“ ist ein geflügelter Begriff in der chinesischen Medizinliteratur, der noch etwas anderes impliziert. Es geht hier nicht so sehr um Nadeln aus Gold, sondern um die Würdigung eines überragenden Arztes für seine außergewöhnlichen medizinischen und spirituellen Fähigkeiten. Der so ausgezeichnete Behandler ist ein Meister der Altchinesischen Medizin, in dessen Händen jede gesetzte Nadel eine wundersame Heilwirkung erzielt. So ist das Ziel der „Goldenen Nadel“, den Adepten zu wahrer Meisterschaft in der Akupunktur zu führen. Es liegt ein Geheimnis hinter dieser Heilkunst, die nicht jedem offenbart wird. Nur wenige streben sie an, die meisten geben sich mit einer symptomatischen Akupunktur zufrieden. 

 

So heißt es bei Xu Feng 徐鳳 im „Gedicht der Goldenen Nadel“, welches er in seiner Kompilation Zhen Jiu Da Quan 針灸大全 (1439 n. Chr.) zitiert:

 

„Bei diesem Gedicht der Goldenen Nadel galt es früher als wichtige Regel, es (das Wissen) als geheime Überlieferung durch einen Meister zu erlangen. Sehr oft wurde es privat aufbewahrt und war nicht für jedermann zugänglich. Man musste seinen Wert wie Gold behandeln, nur dann konnte man es erlangen. Ich sehe dies heute nicht mehr so starr und betrachte (so etwas) als künstliche Gesinnung. Mehr noch, ich sammle keine kostbaren Bücher sondern zeichne (es) lieber in einem Buch auf, mit derselben Absicht, die alle Lernenden haben (sollten). Der Schüler behandelt es (das Gedicht) sorgsam und unterschätzt es nicht. Wenn er es verarbeiten kann, dann liest er es laut und erkennt seinen Geschmack. Für eine lange Zeit sollte es studiert werden, um die Methode der Nadelung anwenden zu können. Wie könnte man sich darin erschöpfen?“

 

Das versuchen uns auch die beiden Verfasser des Buches „Das Geheimnis der Goldenen Nadel“ zu vermitteln! In 14 Kapiteln werden grundlegende Aspekte für das Erlangen dieser wahren Heilkunst beschrieben: Es werden die Besonderheiten der Altchinesischen Medizin gegenüber der TCM deutlich gemacht, die nur durch die Einsicht in die natürlichen Abläufe zu verstehen sind – Das Dao 道 ist allgegenwärtig, man muss es nur erfassen!

 

Somit sind die 81 Verse im Dao De Jing und die 64 Symbole des Yi Jing wichtige Quellen zu diesen Einsichten. Die Allgegenwart des Dao durchdringt auch dieses Buch und lässt einen ahnen, wohin die Reise gehen kann. Denn nur wenn die Behandlerin sich selbst erkennt und ihre Gesundheit pflegt, kann sie wirklich die Gesundheit ihrer Patientin verbessern. „Um die Fähigkeit eines Meisters der Altchinesischen Medizin zu erlangen, welcher in der Lage ist, seinen Patienten ganzheitlich zu erfassen, muss es dem Therapeuten gelingen, seinen Geist zur Stille zu bringen, damit sich seine Wahrnehmung über die Grenzen des Verstandes erhebt.“ 

 

Es folgen eine Reihe von Übungen zur Kultivierung von Qi, dann Übungen zur Kultivierung der Grundwesenheiten, nämlich der fünf Wandlungsphasen, denen jede ein Laut zugeordnet wird. Das laute Ausstoßen dieser Töne hat eine positive Wirkung auf das entsprechende Element. Diese sechs Laute gehen zurück auf den Alchemisten Ge Hong 葛洪 (280-340 n. Chr.), der sie als Übung entwickelte, um eine Fülle aus einem der Zang-Organe abzuleiten. Weiter werden im Buch Übungen zur Kultivierung der therapeutischen Fähigkeiten und des Geistes beschrieben. Alle Übungen sind mit schönen farbigen Zeichnungen versehen, die das Visuelle beim Erlernen der Übungen betonen. Kurz und gut – Die Fokussierung auf die Ideen der Altchinesischen Medizin erscheint mir sehr gelungen. Überhaupt ist der Ansatz, sich von der klinischen TCM zu distanzieren und historisch viel ältere Gedanken heranzuziehen, zu begrüßen. Denn nur so kann sich der Akupunkteur als Techniker zum ganzheitlichen Therapeuten entwickeln. Diese Veränderung kann nur über eine tiefgründige Persönlichkeitsentwicklung zustande kommen. 

 

Meiner Meinung nach haben wir in diesem kleinen Kunstwerk eine Perle unter den Büchern zur chinesischen Medizin, die sich deutlich vom mainstream abhebt. Möge es weitere Bücher von dieser Machart geben – Die Kultivierung der Absicht und des Geistes einer Therapeutin/des Therapeuten kann nicht hoch genug eingeschätzt werden!

 

Kiel, 13. Juli 2019


Von Udo Lorenzen

 

Buchrezension – Lehrbuch der klassischen Chinesischen Medizin und Akupunktur – Die Goldene Nadel

Autoren: Michael G. Hammes und Roya Schwarz

Urban & Fischer Verlag/Elsevier 2022, 630 Seiten, geb., Preis: 130,00 Euro

 

 

4 Jahre nach der „Goldenen Nadel“ erscheint ein Nachfolgewerk der beiden Autoren, welches für die Anhänger der altklassischen chinesischen Medizin (ACM) nichts zu wünschen übrig lässt. Die Verfasser gehen auch hier und viel detaillierter auf die altchinesische Tradition ein, welche das Wachstum und die Persönlichkeit der Therapeutin in den Mittelpunkt einer erfolgreichen Behandlung stellt. Nur wenn der Shen des Behandlers seine wahre Absicht erkennt, kann er mit dem Shen seiner Patientin interagieren und den Urgrund ihrer Erkrankung erkennen. 

 

Die „Goldene Nadel“ ist eine Allegorie in der chinesischen Medizin, die einen überragenden Arzt (Shen Yi 神醫) beschreibt. Es geht hier um die Würdigung eines besonderen Arztes für seine außergewöhnlichen medizinischen und spirituellen Fähigkeiten. Der so ausgezeichnete Behandler ist ein Meister der Altchinesischen Medizin, in dessen Händen jede gesetzte Nadel eine wundersame Heilwirkung erzielt. So ist das Ziel der „Goldenen Nadel“, den Adepten zu wahrer Meisterschaft in der Akupunktur zu führen. Es liegt ein Geheimnis hinter dieser Heilkunst, die nicht jedem offenbart wird. Nur wenige streben sie an, die meisten geben sich mit einer symptomatischen Akupunktur zufrieden. 

 

Diese Botschaft versuchen uns die beiden Verfasser des vorliegenden Buches zu vermitteln! In 25 Kapiteln werden grundlegende Aspekte für das Erlangen dieser wahren Heilkunst beschrieben. Es werden die Besonderheiten der Altchinesischen Medizin gegenüber der TCM deutlich gemacht, die nur durch die Einsicht in die natürlichen Abläufe zu verstehen sind – Das Dao 道 ist allgegenwärtig, man muss es nur erfassen! Die Kapitelüberschriften zeigen auch die Vernetzung der ACM mit der chinesischen Kultur an. Das Vorwort Tian Ming 天命 = „Ein himmlischer Auftrag“ erklärt, dass nicht nur der Kaiser, sondern auch ein wahrhaftiger Heiler seinen Auftrag direkt vom Himmel bekommt; Kapitel 2 heißt Zong Miao 宗廟 = „Der Tempel der Ahnen“ und zeigt in vortrefflicher Weise auf die Medizingeschichte, die auch in China viele weise Persönlichkeiten hervorgebracht hat. Kapitel 4 trägt als Überschrift Xuan Zhu 玄珠 = „Die schwarze Perle“ und weist auf die Bedeutung der Alchemie hin, die es schon zu Zeiten des Nei Jing gegeben hat und im Buch Zhuang Zi erwähnt wird. Auch dass ist eine Quelle des altchinesischen Denkens! Überhaupt wären alle Kapitelüberschriften es wert, sie ausführlicher zu behandeln.

Beim Durchblättern des Buches fallen viele farbige Abbildungen auf, welche den teils schwierigen Text auflockern. Diese Bilder sind in traditioneller Weise von zeitgenössischen Künstlern gezeichnet und geben dem ganzen Buch eine altchinesische Note. Die Autoren Hammes und Schwarz haben so mit viel Sorgfalt und Akribie auch für das Auge Sorge getragen.

 

Es gibt kaum einen Aspekt aus der chinesischen Medizin und Kultur, der nicht in diesem Buch vertreten ist. Aus einem naturphilosophischen Blickwinkel werden die zentralen Begriffe wie Yin und Yang, Dao, Qi, Jing, Shen und das eingebettet sein des Menschen zwischen Himmel und Erde dargestellt. Die wichtigsten historischen Gestalten werden porträtiert und ihre Schulen angerissen. Natürlich dürfen auch die 5 Wandlungsphasen und ihre Entsprechungslehre nicht fehlen, die im Buch die „5 Grundwesenheiten“ genannt werden. Dass hier ein umgangssprachlich geläufiger Begriff „Wandlungsphase“ mit „Grundwesenheit“ ersetzt und erklärt wird, erscheint mir eher unwesentlich zu sein, denn diejenigen LeserInnen, die sich ernsthaft mit diesem Buch beschäftigen (können), werden eh mit den Schriftzeichen arbeiten. Damit erscheint eine eindeutige Begriffsfestlegung unnötig. Die medizinische Bedeutung der Wu Xing 五行 ist dann im Folgenden sehr ausführlich herausgearbeitet und mit bestimmten Konstitutionstypen belegt.

 

Zu vielen Kapiteln werden Fallbeispiele genannt, welche die Art und Weise, wie die Autoren arbeiten, deutlich macht: Neben der schulmedizinischen Fallaufnahme erfolgt eine gründliche chinesische Betrachtung des Patienten mit diagnostischer Einschätzung und -erörterung und ein Behandlungsauftrag. Die Festlegung der zu behandelnden Akupunkturpunkte ist gemäß der alten Tradition nachvollziehbar und stimmig. Es werden hier vor allem die Wandlungsphasenbeziehungen der Punkte herausgestellt.

 

Die Zang Fu-Organe werden ebenfalls en detail beschrieben als Kernstück des kulturellen Vermächtnisses der Altchinesischen Medizin. Auch hier erscheint jedes „Organ“ als eine Allegorie für die verschiedensten Aufgaben im menschlichen Körper, die im Vergleich zur westlichen Medizin ganz anders arbeiten. Viele Zitate aus altchinesischen Klassikern werden herangeführt, viele (wunderschöne) Grafiken erfreuen das Auge.

 

Das gleiche gilt für das Leitbahnsystem, welches die Autoren „Die Wasserstraßen des Reiches“ nennen. Diese Metapher wurde gewählt in Anlehnung an den alten konfuzianischen Staatsapparat, in dem die Logistik der Güter über Wasserwege geschah und es Speicherbecken gab, in denen überschüssiges Wasser bei Überschwemmungen durch Regenfluten aufgefangen wurde. Dies ist auch die Erklärung der acht außergewöhnlichen Gefäße (Qi Jing Ba Mai 奇經八脈), welche im Anschluss sehr ausführlich und praxisrelevant dargestellt werden.    

 

 Es ist noch so viel mehr in diesem Buch, aber seine Auflistung würde den Rahmen einer Rezension sprengen. Insgesamt ist es mir eine große Freude gewesen, das Lehrbuch der klassischen Chinesischen Medizin und Akupunktur – Die Goldene Nadel zu lesen. Wie schon gesagt, die Bilder sind eine Augenweide und der Text ist äußerst dicht und gelehrt. Für jeden, der wirklich tief in die altchinesische Medizin eintauchen und nicht in der TCM haften bleiben möchte, kann dies Buch wertvolle Inpulse und Denkanstöße geben. Es steckt eine Menge Arbeit und Recherche in dem Buch, der Preis von 130,00 Euro ist demnach mehr als angemessen. 

 

Das Lehrbuch der klassischen Chinesischen Akupunktur eröffnet dem Leser einen Einblick in eine höchst lebendige Kultur des Heilens und den Zugang zu einer Medizin, die mit wundersamer Wirkkraft (Shen Ling 神靈) ausgestattet ist.  Ich wünsche den Autoren eine große Verbreitung ihres Buches, und dass ihre Ausarbeitungen in die „Szene der chinesischen Medizin (CM)“ eingehen und wertgeschätzt werden.

 

Udo Lorenzen, Kiel, 4. Juni 2023